Bericht

''Das beste Mittel gegen Techkonzerne sind Communities''

Die KI Ideenwerkstatt für Umweltschutz möchte KI für alle zugänglich, gemeinwohlorientiert und umweltgerecht gestalten. Sie ist vor Ort in Berlin-Neukölln und digital die Anlaufstelle für alle, die Künstliche Intelligenz gemeinwohlorientiert für den Umweltschutz einsetzen möchten. Die Ideenwerkstatt veranstaltet Workshops und andere Formate, informiert über KI und berät Initiativen ganz konkret bei ihren Projekten. Am 12.11.2024 hat sie ihr zweijähriges Jubiläum mit einem abwechlungsreichen Programm mit Einblicken in aktuelle Projekte, interaktiven Workshops und anregenden Diskussionen gefeiert. Wir berichten vom Eröffnungspanel, auf dem unter anderem Friederike Hildebrandt, Bits & Bäume Koordinatorin, Rainer Rehak (Weizenbaum-Institut, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung und langjähriger Aktiver bei Bits & Bäume), sowie Thorsten Kluß (KI-Ideenwerkstatt) sitzen.

25.11.2024 Leo

Das Eröffnungspodium der Jubiläumsfeier © ZUG/Toni Kretschmer Das Eröffnungspodium der Jubiläumsfeier © ZUG/Toni Kretschmer

„Die Community ist politisch“, lautet gleich zu Anfang die These. Friederike Hildebrandt, unsere Bits & Bäume Koordinatorin, bejaht. Digitale Technik sei nicht neutral, sondern hätte viel mit politischer Macht zutun. Das sei schon sehr lange so. „Und das beste Mittel gegen Techkonzerne und Machtmonopole“, führt Friederike aus, „sind Communities. Sie sind stark dadurch, dass sie sich gemeinsam einsetzen und indem sie selber Alternativen diskutieren und einbringen. Sie legen die Grundlagenarbeit dafür, wie wir KI in einer Zukunft wollen, die sozial gerecht und ökologisch ist.“ Das Erschaffen von Alternativen findet auch Thorsten Kluß besonders wichtig, vor allem in den heutigen Zeiten, wo KI in vielen Teilen von großen Konzernen entwickelt wird.

Außerdem sei die Frage, welche Problem wir mit KI angehen an sich bereits hochpolitisch, ergänzt Rainer, obwohl dies von manchen Teilen der Community noch gar nicht explizit so erkannt wird. Denn die Entscheidung, was wir mit KI machen sei letzten Endes eine Frage nach der Ausrichtung unserer Gesellschaft. Rainer betont außerdem, dass es wichtig sei, nicht den gängigen Erzählungen von KI als „dem Allheilmittel“ zu folgen, sondern das Thema als Community selber zu erschließen und kritische Stimmen zu rezipieren. Dadurch ließe sich zu ganz anderen Einsatzzwecken von KI kommen als es zurzeit der Fall ist.

„Was ist eigentlich eine nachhaltige KI?“, wird die Frage in die Runde gestellt. Für Friederike bedeutet das vor allem eine KI, die keinen unglaublich hohen Energie-und Ressourcenverbrauch habe. Rainer dagegen dröselt das Problem auf mehrere Ebenen der Nachhaltigkeit auf: Die materielle/ökologische, die soziale und die informationelle. Auf der ökologischen Ebene sei es ohne Kreislaufwirtschaft nicht möglich eine wirklich nachhaltige KI zu schaffen, führt Rainer weiter aus. Zudem würden wir sehen, dass hinsichtlich der sozialen Dimension große KI Modelle zum großen Teil unter schlimmsten ausbeuterischsten Bedingungen von Datenarbeiter*innen in Ländern des Globalen Südens entstünden. In Communityprojekten dagegen gelinge dies auch anders und nachhaltiger. Auf der informationellen Ebene ginge es bei nachhaltiger KI vor allem darum, ob die Ergebnisse und die Systeme an sich offen und zugänglich sind. Bei großen KI Modellen ist dies jedoch häufig nicht der Fall und wenn die Datensätze offen sind, sind sie häufig so groß, dass sie von Personen aus der Zivilgesellschaft am Ende doch nicht eingesehen werden können. Auch dies sei bei Communityprojekten häufig anders, so Rainer.

Ein anderer Ansatz sei die sogenannte „Extreme Citizen Science“, setzt Thorsten Kluß an und hebt die besondere Relevanz von Bürger*innenbeteiligung während der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger KI hervor. Bei „Extreme Citizen Science“ haben Bürger*innen an jeder Phase des wissenschaftlichen Zyklus teil. Sie formulieren gemeinsam die anfängliche Frage- und Problemstellung, entwickeln Hypothesen und schließlich auch die technische Lösung. Am Ende werden die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet und veröffentlicht. Durch die vollständige Bürger*innenbeteiligung könne eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Ausrichtung nicht nur des Entwicklungsprozesses, sondern auch des Produktes gesichert werden, führt Kluß weiter aus. So seien in den letzten 10 Jahre schon mehrere nachhaltige KI-Modelle entstanden. Dennoch scheitern solche communitybasierten, erfolgreiche Projekte häufig an Kontinuität und langfristigen (finanziellen) Ressourcen, bemerkt auch Rainer Rehak.

Friederike geht anschließend nochmal auf die politische Dimension von KI ein. Eine sinnvolle Digitalpolitik sei hier essenziell. Auf EU-Ebene geschiehe die Förderung von (zumeist generativer) KI jedoch meistens lediglich zum Zwecke einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Europa, obwohl dabei völlig unklar sei, welchen Einfluss KI genau auf die Wirtschaft habe. Die Projekte und Erfahrungen in der Community seien daher genau der wichtige Gegenstandpunkt zu einer solchen Politik, die einfach nur „so viel KI wie möglich“ als Ziel verfolge, ohne auf Notwendigkeit oder Folgen dieser zu achten.

Zum Abschluss wird über Narrative, die gestärkt werden müssen, diskutiert. Rainer appelliert an eine selbstbewusste Community, die sich nicht klein gegenüber Milliardenausgaben für KI in der Industrie machen sollte. Es ginge darum, mit den kleinen, zielgerichteten Projekten selbstbewusst ein Gegenkonzept zu unnachhaltigen KI-Modellen großer Techkonzerne zu errichten. Thorsten Kluß ergänzt, dass wir uns zudem nicht in eine Position drängen lassen sollten, nach der KI etwas grundsätzlich schlechtes sei, mit der wir gar nichts zutun haben wollen. Zuletzt betont Friederike nochmals, dass es darum geht, Probleme gezielt anzugehen und nicht einfach Technik zu bauen oder KI zu fördern, um irgendein Problem zu lösen, das wir noch gar nicht kennen. Wir sollten uns als Gesellschaft die Frage stellen, wo wir eigentlich hin wollen und welche Rolle KI auf dem Weg dahin spielen kann.

Link zum Livestream der Veranstaltung: https://www.youtube.com/watch?v=ReOqXN51HDE. Zur KI-Ideenwerkstatt: https://www.ki-ideenwerkstatt.de/

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