Forderungen

Forderungen des „Bits & Bäume“-Bündnisses zur Bundestagswahl 2025

Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Sie prägt Klima und Umwelt, den sozialen Zusammenhalt, unsere Arbeitswelt, die Demokratie und die internationale Zusammenarbeit. Längst ist klar: Es bedarf politischer Rahmensetzungen, um die Potenziale der Digitalisierung für eine sozial gerechte und nachhaltige Zukunft besser zu nutzen.

29.01.2025

Digitale Souveränität und Zukunft durch demokratische Kontrolle!

Digitalpolitik muss weltweit als Klima‑, Umwelt‑, Sozial‑, Struktur-, Dienstleistungs- und Industriepolitik gedacht und gemacht werden. Dann kann die digitale und ökologische Transformation auch der Schaffung guter Arbeitsbedingungen sowie sozialer und globaler Gerechtigkeit dienen. Diese Chancen sollten wir nutzen.

Digitale Innovation und Technologien können einen erheblichen Beitrag für sozialen und ökologischen Fortschritt leisten, dürfen jedoch nicht als pauschale Lösung für Herausforderungen betrachtet werden. Forschung und Erfahrung der letzten Jahre zeigen: Wird die digitale Transformation nicht politisch bewusst gestaltet, realisieren sich statt der Chancen häufig die Nachteile der Digitalisierung für Umwelt, Demokratie, Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Wir erwarten von der nächsten Bundesregierung, dass der politische Fokus auf den Chancen digitaler Innovation von gesellschaftlichen Zielen wie Demokratie, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit geleitet wird. Dazu gehört zum Beispiel der Aufbau nicht-kommerzieller digitaler Infrastrukturen in den Bereichen Software, Onlineservices und Hardware, um digitale Souveränität und Gemeinwohlorientierung miteinander zu verbinden. Perspektivisch muss die neue Bundesregierung diese Vorhaben gerade auch auf EU-Ebene stärken.

Wir setzen darauf, dass die nächste Bundesregierung die Energiewende, den geordneten Ausstieg aus fossilen Energien und eine ernsthafte Kreislaufwirtschaft national und international vorantreibt sowie für bezahlbarer Strompreise sorgt. Der auch durch die Digitalisierung steigende Energiebedarf darf keine Rückkehr zu nuklearer Energie bedeuten. Das Erreichen der Klimaschutzziele und der Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft bedürfen gezielter öffentlicher und privater Investitionen. Öffentliche Förderung muss an Nachhaltigkeitskriterien, Standort- und Beschäftigungszusagen sowie Kriterien Guter Arbeit gebunden werden. Das gilt auch für die Digitalwirtschaft.

Wir erwarten schließlich, dass die nächste Bundesregierung die Expertise von Zivilgesellschaft und unabhängiger Forschung aktiv einbezieht, um die Digitalisierung gemeinsam, zielgerichtet, wertebasiert und verantwortungsbewusst zu gestalten.

Gemeinsam richten wir vom Bündnis „Bits & Bäume“ – bestehend aus 12 Organisationen aus Digitalpolitik, Umweltschutz, Entwicklungspolitik, Gewerkschaft und Wissenschaft – sieben Kernforderungen an die nächste Bundesregierung.

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KURZFASSUNG UNSERER FORDERUNGEN

1. Wirtschaftliche Chancen durch energie- und ressourcenarme Digitalisierung

  • Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie ambitioniert umsetzen

  • Zirkuläre Geschäftsmodelle fördern und regulatorische Barrieren abbauen

  • Informations- und Kommunikationstechnologie in der Ökodesign-Verordnung priorisieren

  • Verpflichtende Anforderungen für nachhaltige Softwareentwicklung einführen

  • Bestehende Rechenzentren vor Neubau optimal auslasten

  • Anreize für Abwärmenutzung schaffen und Abwärmenutzung auch für kleinere Rechenzentren verpflichtend machen

2. Nachhaltiger Wettbewerb und datenbasierte Politik durch transparente Digitalisierung

  • Die Transparenzanforderungen des Energieeffizienzgesetzes für Rechenzentren erhalten und konsequent umsetzen

  • Ressourcenverbrauch von künstlicher Intelligenz (KI) über den gesamten Lebenszyklus transparent machen

3. Sozial gerechte Digitalisierung durch Gute Arbeit

  • Einen nationalen Rechtsrahmen für KI in der Arbeitswelt und ein Beschäftigtendatenschutzgesetz einführen

  • Europäische Richtlinie zur Plattformarbeit für den effektiven Schutz der Plattformarbeiter*innen umsetzen

4. Verantwortung übernehmen durch eine global gerechte digitale Wirtschaftsordnung

  • Menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten entlang der digitalen Lieferketten konsequent einhalten – EU-Lieferkettenrichtlinie umsetzen und Partner im Globalen Süden bei der Umsetzung unterstützen

  • Keine Einschränkung eigenständiger Digitalwirtschaftsräume im Globalen Süden durch Wirtschafts- und Handelsabkommen

  • Wissens- und Technologietransfer in der Entwicklungszusammenarbeit priorisieren – ohne neue Abhängigkeiten zu schaffen

5. Innovationsanreize durch nachhaltige öffentliche Förderung, Vergabe und Beschaffung von digitalen Technologien

  • Verlagerung der Förderung von ressourcenhungrigen KI-Großmodellen hin zu ressourcensparenden und spezifischen KI-Modellen. Diese sollten unter Freier-Software- / Open-Source-Lizenzen und ebenso freien Datengrundlagen bereitgestellt werden.

  • Keine Förderung oder staatliche Nutzung von proof-of-work-basierten Kryptowährungen

  • Das Freie-Software-Ökosystem durch langfristige Förderung und öffentliche Beschaffung stärken

6. Öffentliches Geld – Öffentliches Gut! – Innovation und gesellschaftlicher Fortschritt durch den freien Zugang zu öffentlichen Gütern

  • Die Grundsätze „Public Money – Public Code!“ und „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!“ umsetzen

  • Entwicklung und Beauftragung von Software durch die öffentliche Hand als Freie Software

  • Verpflichtende, einklagbare Open-Data-Regelungen

  • Informationsfreiheitsgesetze zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln

7. Souveräne digitale Infrastrukturen durch demokratische Kontrolle und Open Source / Freie Software

  • Gemeinwohlorientierte digitale Infrastrukturen aufbauen und fördern

  • Forschung zur Übertragung von Modellen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf digitale Infrastruktur stärken und in die Praxis bringen

  • Interoperabilität durch Freie Software im Interoperable Europe Act stärken

LANGFASSUNG UNSERER FORDERUNGEN

1. Wirtschaftliche Chancen durch energie- und ressourcenarme Digitalisierung

Die Zunahme an digitalen Geräten und Diensten birgt erhebliche Klima- und Umweltrisiken. Schätzungen gehen schon heute davon aus, dass 2,1 bis 4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen auf Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zurückzuführen sind.[1] Die Tendenz ist stark steigend – insbesondere durch energie- und ressourcenintensive digitale Technologien wie künstliche Intelligenz (KI). Szenarien zufolge kann das Elektroschrottaufkommen durch KI-Systeme bis zum Jahr 2030 auf bis zu 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen – fast tausendmal so viel wie 2023.[2] Wegweisend, um diesem Trend zu begegnen, sind eine ambitionierte Kreislaufwirtschaftsstrategie und energieeffiziente digitale Infrastrukturen. Deutschland und die EU haben erste Meilensteine für eine ökologisch-nachhaltige Digitalisierung gesetzt – diese Ambitionen gilt es jetzt aufrechtzuerhalten und energie- und ressourcenarme digitale Technologien auch als wirtschaftlichen Vorteil zu begreifen.

Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie muss ambitioniert umgesetzt werden, mit ausreichend finanziellen Mitteln und ressortübergreifender Zusammenarbeit.

Für zirkuläre Geschäftsmodelle müssen regulatorische Barrieren abgebaut werden, die sich beispielsweise aus dem Produkt-, Steuer- oder Immaterialgüterrecht ergeben.

IKT müssen bei der Konkretisierung der Ökodesign-Verordnung priorisiert werden. Kleinere Akteure, wie Umweltverbände, und Vorreiter der Kreislaufwirtschaft, wie Reparatur- und Refurbishmentbetriebe, müssen als wichtige Stakeholder in die weiteren politischen Prozesse zur Konkretisierung der Verordnung miteinbezogen werden.

Deutschland muss eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Softwareentwicklung einnehmen. Dafür sollte die Ökodesign-Verordnung um Anforderungen für den Lebenszyklus von Software erweitert werden. Nachhaltige Software-Projekte müssen gefördert werden. Nachhaltige Software kann Energie, Rohstoffe und Kosten einsparen, ohne zu Nachteilen bei Nutzer*innen zu führen.

Bestehende Rechenzentren müssen unter Beachtung von Lastspitzen zunächst besser ausgelastet werden, bevor neue gebaut werden.

Große Rechenzentren, die unter das Energieeffizienzgesetz fallen, sind in Zukunft schon zur Nutzung von 10 bis 20 Prozent ihrer Abwärme verpflichtet. Diese verpflichtende Abwärmenutzung darf nicht nur bei den größten Rechenzentren Pflicht sein, sondern muss auch für kleinere Rechenzentren gelten. Das Energieeffizienzgesetz sollte entsprechend angepasst werden. Über die Verpflichtung hinaus müssen für große und kleine Rechenzentren weitere Anreize gesetzt werden, Abwärme zu nutzen.

2. Nachhaltiger Wettbewerb und datenbasierte Politik durch transparente Digitalisierung

  1. Die Klima- und Umweltrisiken der Digitalisierung sind unbestritten, doch es fehlt an Daten, um diese systematisch zu analysieren. Unternehmen sind bislang nicht verpflichtet, relevante Daten zu erheben und offenzulegen. Die Bundesregierung sollte für mehr Transparenz beim Energie- und Ressourcenverbrauch sowie den Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen digitaler Produkte und Dienstleistungen eintreten. Transparenz schafft nicht nur die Grundlage für den Wettbewerb um nachhaltige Rechenzentren, digitale Produkte und Dienstleitungen. Sie ist notwendig, um ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen der Digitalisierung besser einschätzen zu können und um fundierte politische Entscheidungen zu ermöglichen.

Die Erhebung und Bereitstellung relevanter Informationen zu Energieeffizienz, Energieverbrauch und Auslastung von Rechenzentren sind die Basis für effektive Maßnahmen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken und den Wettbewerb um energieeffiziente Dienstleistungen zu stärken; sowohl in Deutschland als auch europaweit und international. Erst durch Informations- und Berichtspflichten werden die Bemühungen von Rechenzentrumsbetreibern, besonders effizient und klimafreundlich zu arbeiten, überhaupt sichtbar- und vergleichbar. Erst so wird Klimaschutz zu einem Wettbewerbsvorteil für Rechenzentren, sowohl für die Rechenzentren selbst – als moderne Arbeitgeber – als auch für internationale Investoren. Aggregierte Informationen sind zudem wichtig, um Klimaschutzverpflichtungen der Branche zu vergleichen, aber auch, um etwa die langfristige Planung von Stromnetzen für derartige kritische Infrastrukturen zu ermöglichen.

Der Ressourcenverbrauch von KI muss über den gesamten Lebenszyklus hinweg öffentlich dokumentiert werden, einschließlich des Trainings der Modelle, ihrer Nutzung (Inferenz) und der Nachnutzung der Hardware. Darüber hinaus ist die Einsicht in die Datensätze, die für das KI-Training genutzt wurden, essenziell, um algorithmische Entscheidungen und mögliche Datenbiases nachvollziehen und einordnen zu können. Die Europäische KI-Verordnung bietet erste Ansatzpunkte dafür.

3. Sozial gerechte Digitalisierung durch Gute Arbeit

Die Digitalisierung der Arbeitswelt birgt neben ihren Chancen vielfältige Herausforderungen. Für viele Beschäftigte steigt durch die digitale Transformation die Arbeitsbelastung: Arbeitsverdichtung und Entgrenzung sind die Kernprobleme digitaler Arbeit. Dies gilt insbesondere für digitale Plattformen, auf denen aktuell mehr als 28 Millionen Menschen in der EU beschäftigt sind.[3] Diese Trends spitzen sich durch den Einsatz von KI zusätzlich zu. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die digitale und ökologische Transformation für Gute Arbeit und ein besseres Leben genutzt werden. Digitalisierung muss zu gesellschaftlichem Zusammenhalt beitragen.

Zur Förderung Guter Arbeit durch KI soll ein nationaler „Rechtsrahmen für KI in der Arbeitswelt“ eingeführt werden. Damit soll vor allem die vorausschauende Mitbestimmung und Beteiligung der Beschäftigten bei der Einführung und Nutzung von KI am Arbeitsplatz gestärkt werden. Regelungen zur Datennutzung im Beschäftigtenkontext sollen konkretisiert werden, um die Privatsphäre von Arbeitnehmenden effektiv zu schützen und dadurch die Datennutzung für Gute Arbeit zu fördern. Dabei muss auch der diskriminierungsfreie Einsatz von KI sichergestellt werden. Machtungleichgewichte im Arbeitskontext müssen explizit eingehegt und Datenschutzprinzipien müssen angewendet werden. Dafür soll über den Einsatz von KI hinaus ein Beschäftigtendatenschutzgesetz eingeführt werden, das die Datennutzung am Arbeitsplatz spezifiziert.

Die Bundesregierung ist zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie für faire Plattformarbeit verpflichtet. Dabei ist es entscheidend, dass Regelungen umgesetzt werden, um effektiv gegen Scheinselbständigkeit und prekäre Beschäftigung auf digitalen Plattformen vorzugehen.

4. Verantwortung übernehmen durch eine global gerechte digitale Wirtschaftsordnung

Das gegenwärtige digitale Paradigma ist geprägt von einem Wirtschaftsmodell, in dem Arbeit, Daten und Rohstoffe – häufig aus dem Globalen Süden – kostengünstig in den Globalen Norden transferiert werden, um dort teure digitale Produkte und Dienstleistungen herzustellen. Rohstoffe für die Hardwareproduktion werden häufig unter menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen abgebaut. KI-Modelle werden durch Click-Worker in prekärer Beschäftigung im Globalen Süden trainiert. Die Herausforderungen des globalen Digitalzeitalters verlangen neue Formen der Zusammenarbeit, bei denen Deutschland und die EU eine verantwortungsbewusste Rolle übernehmen müssen. Die Bundesregierung sollte sich international für eine faire digitale Wirtschaftsordnung einsetzen.

Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten müssen konsequent eingehalten werden. Dies gilt im Digitalbereich nicht nur für Hardware-, sondern auch für Softwarelieferketten. Auch neue Arbeitsformen wie Click- und Crowdworking, die oft in den Globalen Süden outgesourct werden, müssen so gestaltet sein, dass der Prekarisierung von Arbeiter*innen entgegengewirkt wird. Daher sollte die Bundesregierung die Regeln der EU-Lieferkettenrichtlinie schnellstmöglich in nationales Recht überführen und dabei bestehende höhere Schutzstandards aufrechterhalten – wie in der EU-Richtlinie vorgeschrieben. Zugleich sollte die Bundesregierung Kleinstunternehmen und Arbeiter*innen sowie Gewerkschaften in Partnerländern ausreichend technische und finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen. So werden diese Akteure über die sich aus den Lieferkettengesetzen ergebenden Anforderungen und Rechte informiert und, wo nötig, wird die Umstellung auf eine nachhaltigere und menschenrechtskonforme Produktionsweise ermöglicht.

Bilaterale und multilaterale Handelsabkommen dürfen den politischen Spielraum von Regierungen im Globalen Süden zum Aufbau einer eigenständigen digitalen Industriepolitik nicht einschränken, etwa durch globale Marktöffnungspflichten, die lokale Digitalwirtschaften verunmöglichen würden. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sollten auch dazu dienen, die lokale Herstellung digitaler Produkte (wie z. B. Mikrochips, eigene Software oder eigene Online-Services) zu unterstützen.

Wissens- und Technologietransfer sollte in der Entwicklungszusammenarbeit priorisiert werden. Technologietransfer darf allerdings nicht zu einer Verstärkung von Abhängigkeiten führen. So sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Open-Source-Technologien mit offenen Lizenzen und freien Dokumentationen gefördert werden, sodass die Technologien auch für Akteure im Globalen Süden frei adaptierbar sind.

5. Innovationsanreize durch nachhaltige öffentliche Förderung, Vergabe und Beschaffung von digitalen Technologien

Öffentliche Beschaffung und Vergabe, die in Deutschland nach Schätzungen 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts[4] umfasst, sowie öffentliche Förderung haben großen Einfluss auf den Markt. Die öffentliche Hand kann die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft also entscheidend unterstützen. Die Bundesregierung sollte für klima- und umweltschädliche digitale Technologien und Anwendungen keine Förderanreize setzen. Förderung, Vergabe und Beschaffung von staatlichen IT-Projekten muss unter sozialen und ökologisch nachhaltigen Gesichtspunkten stattfinden. Wenn öffentliche Mittel für den Auf- und Ausbau der Digitalwirtschaft eingesetzt werden, müssen diese unter anderem an Standort- und Beschäftigungszusagen sowie Kriterien Guter Arbeit geknüpft werden und konsequent Freie Software priorisieren. Für eine nachhaltige Förderpolitik braucht es eine starke Technikfolgenabschätzung.

Die aktuelle Förderung von ressourcenintensiven und proprietären KI-Großmodellen sollte forschungs- und wirtschaftspolitisch durch die Bundesregierung verlagert werden auf ressourcensparende und spezifische bzw. aufgabenbezogene (narrow, tiny) KI-Modelle. Dabei ist sicherzustellen, dass nur solche KI gefördert wird, deren Software, Modelle, Gewichtungen und Trainingsdaten unter freien Lizenzen verfügbar sind.

Eine Förderung oder staatliche Nutzung von proof-of-work-basierten Kryptowährungen wie Bitcoin sollte unterbleiben. Proof-of-Work-Technologien tragen aufgrund ihres hohen Energieverbrauches aktuell massiv zur Klimakrise bei und stehen im Widerspruch zu den Zielen einer nachhaltigen Digitalisierung. Wir begrüßen hingegen die staatliche Erforschung, Nutzung und Förderung von freien, dezentralen, offlinefähigen und datenschutzfreundlichen digitalen Bezahlsystemen.

Freie Software braucht eine nachhaltige, sichere und zweckgebundene Finanzierung und gezielte Beschaffung, um die digitale Souveränität Deutschlands und die Gestaltbarkeit der Technologie zu gewährleisten. Digitale Infrastrukturen sind zu weiten Teilen auf Freie Software angewiesen, um technologisch unabhängig und resilient zu werden. Die Kürzung oder Streichung von Mitteln für Freie Software gefährden digitale Infrastrukturen und die staatliche Handlungsfähigkeit.

6. Öffentliches Geld – Öffentliches Gut! – Innovation und gesellschaftlicher Fortschritt durch den freien Zugang zu öffentlichen Gütern

Öffentlich finanzierte Güter, wie Software, Datensätze, Forschungsergebnisse und Bildungsinhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sind aktuell häufig nicht langfristig zugänglich und auch nicht frei nutzbar, obwohl sie durch Steuer- oder Beitragsgelder finanziert werden. Dies hemmt nicht nur das Vertrauen in öffentliche Investitionen, sondern auch Innovationen und gesellschaftlichen Fortschritt. Es ist an der Zeit, dass öffentliche Investitionen in Software, Wissen und Technologie allen Bürger*innen zugutekommen.

Die Bundesregierung muss die Grundsätze „Public Money- Public Code!“ und „Öffentliches Geld – Öffentliches öffentliches Gut!“ umsetzen, nach denen alle Inhalte, Daten, Software, Projekte und Ergebnisse, die maßgeblich mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, der Öffentlichkeit unter freien Lizenzen zur uneingeschränkten Verbreitung, Wiederverwendung und Bearbeitung zugänglich gemacht werden. Einer angemessenen Vergütung von Urheber*innen, Maintainern und anderen an der Wertschöpfung Beteiligten durch geeignete Geschäftsmodelle, Beschaffung und Förderung muss eine Priorität sein.

Software, die von der öffentlichen Hand entwickelt oder beauftragt wird, muss unter Freien-Software-Lizenzen veröffentlicht werden. Bevorzugt sollten Lizenzen mit Copyleft-Effekt genutzt werden, die eine spätere Proprietarisierung öffentlich finanzierter Software verhindern und sie dauerhaft als Gemeingut zum Wohle aller erhalten.

Open-Data-Regelungen sollten Organisationspflichten zur notwendigen Modernisierung der staatlichen IT-Infrastruktur sowie einen Rechtsanspruch der Bürger*innen auf Zugang zu Daten enthalten, der wenigstens im Wege der Verbandsklage durch zivilgesellschaftliche Organisationen auch einklagbar ist.

Die Informationsfreiheitsgesetze sollten zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickelt werden, sodass staatliche Informationen durch die Behörden aktiv veröffentlicht werden und nicht erst per Antrag abgefragt werden müssen.

7. Souveräne digitale Infrastrukturen durch demokratische Kontrolle und Open Source/Freie Software

80 Prozent der Technologien und Dienstleistungen, die für den digitalen Wandel in Europa entscheidend sind, werden immer noch außerhalb der EU entwickelt und hergestellt.[5] Tech-Konzerne befinden sich teilweise unter dem Einfluss autoritärer Staaten. Diese Abhängigkeiten stellen eine Gefahr für Demokratie und Souveränität dar. Demokratische Kontrolle über digitale Infrastrukturen ist grundlegend für eine resiliente digitale Gesellschaft.

Die Bundesregierung sollte auf europäischer Ebene die Debatte über demokratisch kontrollierte, gemeinwohlorientierte digitale Infrastrukturen, die konsequent auf Freie Software und entsprechend kompatible offene Standards setzen, vorantreiben. Dies betrifft auch, aber nicht nur, öffentliche digitale Dienste der Daseinsvorsorge sowie elementare öffentliche Kommunikationsdienste, etwa für Schulen.

Forschung zur Übertragung von Modellen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf digitale Infrastruktur sollte gestärkt werden. Best Practices aus Modellprojekten demokratischer Verwaltung von digitalen Infrastrukturen auf kommunaler Ebene sollen gesammelt, evaluiert und angewandt werden. Innovative Konzepte dafür, wie die lokal ansässige Bevölkerung über Planungsprozesse und Flächenvergabe für Rechenzentren informiert und miteinbezogen werden kann, müssen erarbeitet, pilotiert und eingeführt werden.

Die Interoperabilität in Deutschland und Europa durch Freie Software muss vorangebracht werden. Die Bundesregierung muss entsprechende Regeln einführen, etwa durch die Chancen, die der Interoperable Europe Act bietet.


Quellen

[1] Freitag, C, Berners-Lee, M, Widdicks, K, Knowles, B, Blair, GS & Friday, A. (2022): The real climate and transformative impact of ICT: a critique of estimates, trends, and regulations. Patterns, 3(8): 100576. DOI: https://doi.org/10.1016/j.patter.2022.100576

[2] Wang, P., Zhang, LY., Tzachor, A. & Wei-Qiang, C. (2024): E-waste challenges of generative artificial intelligence. Nat Comput Sci 4, 818–823 (2024). DOI : http://dx.doi.org/10.21203/rs.3.rs-3978528/v1

[3] Europäischer Rat (2024): EU-Vorschriften zur Plattformarbeit. https://www.consilium.europa.eu/de/policies/platform-work-eu/ (17.12.2024)

[4] Bertelsmann Stiftung (2024): Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung. DOI: 10.11586/2024096

[5] European Commission (2024): Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions State of the Digital Decade 2024, COM(2024) 206 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52024DC0260 (17.12.2024)


Kontakt

Friederike Hildebrandt
E-Mail: friederike.hildebrandt [at] bits-und-baeume.org
Telefon: 0175 3320250
Bits & Bäume Koordinationsstelle
Stresemannstr. 72
10963 Berlin

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